#39 Markus Vogt: „Die Welt hängt nicht im Leeren – die Hoffnung, dass es Sinn gibt, treibt mich an.“

Shownotes

Was Markus Vogt außerdem antreibt, ist der Wunsch, Wissenschaft zu gesellschaftlicher und politischer Wirksamkeit zu bringen – und leidenschaftliches Interesse für seine Themen. Im Gespräch über seine Karriere betont er zwar wiederholt die glücklichen Fügungen, die ihn ‚zufällig‘ immer weitergebracht haben. Wer ihm zuhört, merkt aber schnell: Vielmehr ist es die Tatsache, dass er sich wirklich engagiert, wenn er für ein Thema brennt, auch gegen Widerstände. Markus Vogt ist katholischer Theologe und Professor für christliche Sozialethik an der LMU München. Was ihn auszeichnet, ist sein interdisziplinäres Engagement, denn: „Wenn wir als Theologen unter uns bleiben, werden wir nicht hinreichend verstanden.“ Darum hat er 2023 das Münchener Zentrum für Nachhaltigkeit mitbegründet. Gerade bei diesem Thema ist er überzeugt, dass es verschiedene Disziplinen braucht, um es voranzubringen. „Wenn wir Umweltschutz wirklich ernst nehmen wollen, müssen wir ihn als ökonomische Herausforderung begreifen.“ Die Rolle der Theologie sieht er hier in der Bündelung des Diskurses, schließlich bringt sie grundlegende Aspekte in den Dialog ein – beispielsweise die Sinnfrage.

👤** Mehr von Markus Vogt ** Markus Vogt bei Wikipedia Münchener Zentrum für Nachhaltigkeit

+++ About +++ 🎧 Der Interviewpodcast aus dem Roman Herzog Institut mit wechselnden Gästen. Im persönlichen Gespräch unterhalten sich Köpfe der Wissenschaft mit Host Tina Maier-Schneider über ihr Leben und ihre Arbeit. Hier lernen Sie Wissenschaftler:innen kennen, die etwas bewegen. Auf unserem YouTube-Kanal finden Sie das Schwesterformat RHI-Kontexte, in dem Dr. Martin Lang mit führenden Wissenschaftler:innen aus verschiedensten Disziplinen intensiv ihre Forschungen und Gedanken diskutiert. 🔥 Abonnieren Sie den YouTube-Kanal des Roman Herzog Instituts direkt hier

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Transkript anzeigen

00:00:00: Der Podcast des Roman-Herzog-Instituts. Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.

00:00:06: Tina Maier-Schneider spricht mit Menschen, für die diese Aufforderung eine Aufgabe ist.

00:00:13: Wir arbeiten nicht im Nichts, die Welt hängt nicht im Leeren.

00:00:16: Also diese Hoffnung, dass es Sinn gibt, dass wir nicht letztendlich resignieren

00:00:21: müssen, das ist schon eine wichtige Hoffnung, die mich antreibt.

00:00:25: Die Theologie ist eine ganz wichtige Ressource und Quelle, aber eben eine unter anderen.

00:00:31: Und wenn wir als Theologen unter uns bleiben, dann werden wir nicht hinreichend verstanden.

00:00:37: Eigentlich ist die tiefste christliche Tradition, dass der Glaube zur Vernunft

00:00:43: verpflichtet und vielleicht zu einer Erweiterung des Horizontes von Vernunft auch befähigt.

00:00:51: Hallo, Sie haben den Podcast aus dem Roman Herzog Institut eingeschaltet.

00:00:55: Mein Name ist Tina Maier-Schneider und bei mir heute zu Gast ist Markus Vogt.

00:00:59: Hallo Herr Professor Vogt. Hallo.

00:01:02: Markus Vogt ist katholischer Theologe und Professor für christliche Sozialethik

00:01:06: an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

00:01:10: Bei Münk habilitierte er in Luzern zum Thema "Prinzip Nachhaltigkeit - ein Entwurf

00:01:15: aus theologisch-ethischer Perspektive".

00:01:17: Von 1998 bis 2007 war Markus Vogt Professor für christliche Sozialethik an der

00:01:25: Philosophisch-Theologischen Hochschule Benediktbeuern und Leiter der dort von

00:01:29: ihm begründeten "Clearingstelle Kirche und Umwelt".

00:01:33: Das sind nicht alle Stationen von Markus Vogt, aber über die anderen werden

00:01:38: wir jetzt hier miteinander im Podcast sprechen.

00:01:40: Ich freue mich jedenfalls sehr, dass Sie heute zu Gast sind.

00:01:44: Herr Vogt, das Thema christliche Sozialethik und katholische Soziallehre mit

00:01:51: dem Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu verbinden und auch ein Sozialprinzip

00:01:57: Nachhaltigkeit zu formulieren,

00:01:59: das war was Neues und das haben Sie vorangetrieben.

00:02:02: Was hat Sie da motiviert?

00:02:05: Das war für mich ein Versuch, die vielen Orientierungen, die es gibt im christlichen

00:02:11: Glauben, in der christlichen Theologie zur Umwelt, das war zum Teil durchaus

00:02:14: schon in den 70er Jahren intensiv Thema.

00:02:17: Aber es ist nicht wirklich politisch wirksam geworden, es ist nicht über den

00:02:20: Raum der Kirche hinaus kommuniziert worden.

00:02:23: Und da dachte ich, dieses Prinzip Nachhaltigkeit, was seit der Rio-Konferenz

00:02:27: die wichtigste Denkform, die wichtigste Leitvokabel ist für den Umweltschutz,

00:02:34: das eignet sich, das stärker mit dem christlichen Glauben zu verbinden,

00:02:37: gerade weil dies auf der UNO-Ebene eben Umweltschutz und Armutsbekämpfung systematisch verbindet.

00:02:43: Und ich dachte, das entspricht dem christlichen Ursprung.

00:02:45: Ich habe dann auch entdeckt, dass es im Grunde in den Anfängen vom Nachhaltigkeitsdiskurs

00:02:49: christliche Vorläufer gab, zum Beispiel der Weltrat der Kirchen,

00:02:53: der sich für eine Sustainable Society 1974 bis 1976 auch engagiert hat.

00:02:58: Also es gibt auch viele theologische Vorläufer für dieses Konzept.

00:03:02: Und mein Anliegen war so eine Zweisprachigkeit, also zu sagen,

00:03:05: wir müssen die christliche Theologie in eine säkulare, politisch verstehbare

00:03:10: Sprache der Öffentlichkeit übersetzen und wir müssen die Anfragen und Differenzierungsprobleme

00:03:17: aus der Öffentlichkeit in die Theologie zurückspiegeln,

00:03:20: um da auch nochmal unseren Diskurs weiterzubringen.

00:03:23: Politische Wirksamkeit war das Stichwort, was Sie eben formuliert haben.

00:03:27: Das heißt, Herr Vogt, das, was Sie denken, soll auch wirksam sein?

00:03:33: Den Anspruch habe ich schon. Ich denke, was mich an der Wissenschaft interessiert,

00:03:38: ist eben auch, wie sie verstanden wird.

00:03:40: Also eine Theorie, die nur irgendwie sich mit sich selber beschäftigt,

00:03:45: quasi nur mit den Fußnoten der anderen Wissenschaft, eine selbstreferenzielle Theorie,

00:03:52: die reicht mir nicht. Und das ist vielleicht auch meine Grunderfahrung.

00:03:55: Nach dem Studium bin ich in die Politikberatung gegangen, im Sachverständigenrat

00:03:59: für Umweltfragen von der Bundesregierung.

00:04:01: Da hatte ich Glück, weil mein Doktorvater von Klaus Töpfer entdeckt worden ist

00:04:04: und da reinberufen worden ist.

00:04:05: Und er hat gesagt, er will mich gerne mitnehmen, weil ich mich stärker,

00:04:10: also ich habe auch eine ursprünglich naturwissenschaftliche Neigung,

00:04:12: mir fällt es relativ leicht, mich auch in empirische, interdisziplinäre Studien einzuarbeiten.

00:04:17: Und er sagte, er braucht da mich als Begleiter und das war für mich natürlich eine super Chance,

00:04:24: direkt nach dem Studium dann in die Politikberatung zu gehen,

00:04:27: viel zu lernen und zu versuchen,

00:04:30: das aus der Perspektive einer systematischen Ethik, auch einer christlichen

00:04:34: Theologie zusammenzufassen und die Ansprüche auf den Punkt zu bringen.

00:04:39: Und ich habe festgestellt auch in diesem Sachverständigenrat für Umwelt,

00:04:44: dass alle ein bisschen aneinander vorbeigeredet haben.

00:04:47: Es gab immer unendlich viele Unterlagen und dass die Ethik so eine Art Integrierungsfunktion hat.

00:04:53: Also zu sagen, wie hängen die Argumente des einen mit den Argumenten des anderen zusammen.

00:04:57: Und wir haben da wirklich auch so eine Integrierungsfunktion gehabt,

00:05:02: haben systematisch auch nochmal das Leitbild der Nachhaltigkeit ausgearbeitet,

00:05:07: was eben auch genau diese Funktion eines Gesamtleitbildes, was es hilft,

00:05:12: die verschiedenen Sachexpertisen zusammenzuordnen, auch ausformuliert.

00:05:16: Und mein Lehrer, der Wilhelm Korf, der war immer sehr genau in der Formulierung.

00:05:20: Das war ein hartes Ringen um die Worte. Und ich habe viel Hintergrundliteratur

00:05:25: eingebracht und habe von ihm in der Zusammenarbeit gemeinsam Texte zu formulieren viel gelernt.

00:05:31: Und es war oft sehr langwierig. Also wir haben manchmal den ganzen Tag zusammen

00:05:35: diskutiert und nur 20 Zeilen zusammengebracht.

00:05:38: Und am nächsten Morgen kam er und hat gesagt,

00:05:41: das ist alles noch nichts, wir müssen nochmal von vorne anfangen.

00:05:45: Aber es hat sich dann gelohnt, dass man eben nicht nur irgendwie eine Sache

00:05:50: so formuliert, sondern auch zu schauen,

00:05:52: was ist die Botschaft darin, was ist die tiefere Logik und das genau,

00:05:55: sprachlich genau formuliert.

00:05:57: Das war für mich eine sehr wichtige Schule und eine sehr wunderbare Zusammenarbeit

00:06:01: mit meinem Doktorvater Wilhelm Korf.

00:06:03: Wie ist es, dass Sie zwei zusammengekommen sind? Haben Sie ihn natürlich während

00:06:08: dem Studium kennengelernt und wie ist es zu Ihrer Dissertation bei ihm gekommen?

00:06:13: Ursprünglich war das gar nicht mein Wunsch. Der schönste Teil meines Studiums

00:06:16: war in Israel und ich wollte eigentlich über Grenzbegriffe zwischen Judentum

00:06:22: und Christentum promovieren, im interreligiösen Dialog.

00:06:26: Aber irgendwie hatte ich da auch einen möglichen Doktorvater im Visier,

00:06:31: aber der hat mir ewig lang nicht geantwortet. Und bei John Österreich in den USA

00:06:36: wollte ich promovieren, der meinte, er könnte mir nur abraten von dem Thema,

00:06:39: ich würde mich zwischen alle Stühle setzen.

00:06:41: Und dann habe ich mich erinnert an eben die Vorlesungen von Wilhelm Korf im

00:06:45: Grundstudium, die mich sehr angesprochen hatten, die mich auch weiter begleitet

00:06:49: haben. Und ich habe ihn öfter getroffen in der S-Bahn, weil wir im Westend gewohnt haben.

00:06:54: Und er hat mir immer in zehn Minuten, fünf Minuten in der S-Bahn die neuesten

00:06:57: sozialethischen Ideen erzählt.

00:07:00: Und das hat mich so fasziniert, dass ich gesagt habe, okay, dann gehe ich zu

00:07:03: ihm und mache da meine Promotion über Darwin und den Sozialdarwinismus,

00:07:08: also die Wechselwirkung zwischen Naturtheorie und Sozialtheorie.

00:07:11: Und das war natürlich auch für das Thema Umwelt sehr fruchtbar.

00:07:14: Und dann hat er mich eben mitgenommen als Mitarbeiter in den Sachverständigenrat

00:07:18: für Umweltfragen. Und es war eine tolle Zusammenarbeit, da konnte ich sehr viel lernen.

00:07:22: Und dann schloss sich die Habilitation gleich an, an diese Politikberatungstätigkeit?

00:07:28: Nee, das hat etwas gedauert. Also da waren viele Umwege und lange Wege.

00:07:32: Erst habe ich eben diese Zeit der Promotion gehabt, wo ich wirklich viel Zeit

00:07:36: hatte, auch nachzudenken und in dem Sachverständigenrat für Umweltfragen auch immer

00:07:40: anregende Diskurse geführt habe.

00:07:43: Und ich habe dann danach die von Ihnen in der Anmoderation bereits angesprochene

00:07:47: Clearingstelle Kirche und Umwelt in Benediktbeuern bekommen.

00:07:51: Das war Glück, weil ich dann auch vorher noch war in der ökologischen Arbeitsgruppe

00:07:56: der Bischofskonferenz.

00:07:57: Das war auch, ursprünglich war mein Doktorvater Wilhelm Korf da.

00:08:01: Dann hat die Bischofskonferenz gemeint, sie ist neutral, indem sie Leute beruft,

00:08:06: die glauben, es gibt einen Klimawandel und andere, die glauben,

00:08:09: es gibt keinen Klimawandel.

00:08:10: Und mein Lehrer Wilhelm Korf meinte, die drehen sich immer nur im Kreis.

00:08:14: Ich gehe da nie wieder hin. Gehen Sie dahin.

00:08:17: Und dann bin ich so in die ökologische Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz gekommen

00:08:21: und ich habe mir das halt angehört und habe dann im Hintergrund immer Texte

00:08:25: vorbereitet, habe mit Leuten gesprochen, habe versucht auch ein bisschen strategisch

00:08:29: Mehrheiten zu organisieren.

00:08:31: Mir ist heftig widersprochen worden, aber dadurch bin ich dann auch bekannt

00:08:35: geworden bei vielen Bischöfen und irgendwann meinte ich, naja,

00:08:38: ich muss jetzt schauen, dass ich selber wissenschaftlich auch weiterkomme,

00:08:42: ich muss meine Habilitation machen.

00:08:44: Und dann war nach einer Sitzung, kamen Mitglieder aus der Bundesstiftung für

00:08:49: Umwelt und von der Hochschule Benediktbeuern zusammen und haben gesagt,

00:08:54: wir ermöglichen ihnen, für die ökologische Arbeitsgruppe weiterzuarbeiten und

00:08:59: sie bekommen eine Professur dort an der privaten kirchlichen Hochschule von

00:09:03: den Salesianern Don Boscos und ein Institut Kirche und Umwelt.

00:09:06: Ich soll den Diskurs eben wissenschaftlich begleiten, als Ansprechpartner für

00:09:10: Entscheidungsträger in Kirche, in Wirtschaft, in Gesellschaft zur Verfügung stellen.

00:09:14: Das war natürlich toll, dass ich mit relativ jung... Also ein Traum für jeden

00:09:18: Wissenschaftler eigentlich, oder?

00:09:20: Dass ihm so ein Institut gegeben wird und die Möglichkeit darüber nachzudenken.

00:09:25: Ja, also meine Freunde haben schon immer gesagt, ich habe mehr Glück als Verstand.

00:09:28: Also da hatte ich mich einfach aus Leidenschaft für das Thema so engagiert, ohne jeden Zweck.

00:09:34: Und darüber hat sich für mich dann eben toll die Professur und das Institut bekommen.

00:09:40: Allerdings war es auch harte Arbeit, sodass ich eben eine Habilitation erst

00:09:45: mal nicht auf die Reihe gebracht habe, sondern eben viele Vorträge hatte und

00:09:49: musste ja auch die Vorlesungen halten und in Gremien mitarbeiten.

00:09:53: Und irgendwann war es klar, dass es unsicher ist, ob die Hochschule in Benediktbeuern

00:09:59: in Zukunft noch überleben kann. Sie ist inzwischen tatsächlich auch geschlossen.

00:10:02: Und dann dachte ich, okay, dann muss ich mir noch was anderes überlegen und

00:10:05: mich bewerben. Und dann mit großer Anstrengung habe ich dann meine Habilitation,

00:10:11: Prinzip Nachhaltigkeit, auf die Reihe gebracht.

00:10:15: Das war durchaus eine große Kraftanstrengung in dieser Zeit,

00:10:20: auch als meine Kinder noch jung waren.

00:10:22: Das musste ich durchaus auch mal in Sommerferien einfach die Familie alleine fahren lassen,

00:10:27: um dann das voranzubringen und dann hatte ich wieder Glück, dass in München

00:10:31: die Professur für christliche Sozialethik ausgeschrieben worden ist und ich

00:10:36: die dann auch bekommen habe und insofern seit 2007 eine dauerhafte Stelle an der LMU.

00:10:41: Vom ganzen Glück und der Freude möchte ich aber noch mal auf Ihr Können den Augenmerk richten.

00:10:48: Sie haben ja auch Papst Franziskus beeindruckt mit Ihrer Schrift beziehungsweise

00:10:53: die von ihm unterstützte Stiftung und haben dort den päpstlichen Stiftungspreis bekommen.

00:11:00: Nehmen Sie uns doch noch mal mit, um was es sich dort handelt.

00:11:03: Das ist die Stiftung Zentesimus Annus Pro Pontifice, die ist gegründet worden

00:11:09: nach der Enzyklika Zentesimus Annus 1991.

00:11:12: Vor allem von amerikanischen Unternehmern und Kardinälen, um die katholische

00:11:17: Soziallehre in die Gesellschaft, in die Wirtschaft hineinzutragen.

00:11:21: Das ist auch ein Preis für christliche Begegnungen.

00:11:25: Wirtschafts- und Gesellschafts-Umweltethik. Und ja, da hatte ich das Glück,

00:11:30: dass eben meine Arbeit wahrgenommen worden ist und ich den Preis bekommen habe.

00:11:34: Das ist ein weltweiter Preis für die Weiterentwicklung der katholischen Soziallehre.

00:11:38: Wie weit sich Papst Franziskus jetzt wirklich für meine Arbeit interessiert

00:11:42: hat oder interessiert, weiß ich nicht so genau zu sagen.

00:11:47: Er hat mir jedenfalls dann auch den Preis, also wir hatten eine Audienz und

00:11:51: ich konnte mich kurz mit ihm unterhalten.

00:11:53: Aber ich glaube, ihm ist das zu sehr abstrakte Wissenschaft.

00:11:57: Ihn interessiert mehr das Konkrete der Gesellschaftsveränderung.

00:12:00: Aber diese Stiftung hat da durchaus ein großes Ereignis draus gemacht,

00:12:05: war auch die ganze Familie dabei. Und es ist natürlich schon schön,

00:12:08: so international auch Anerkennung zu bekommen.

00:12:11: Inzwischen habe ich auch jetzt mein neueres Buch zur Umweltethik auch ins Englische

00:12:16: übersetzt, war im Frühjahr in USA, in Washington, an der Catholic University of America.

00:12:19: Und ich denke, es ist wichtig, dass das Thema Umwelt, was in Deutschland ja

00:12:25: besonders intensiv behandelt wird, auch stärker international kommuniziert,

00:12:30: wahrgenommen, ausgearbeitet wird.

00:12:31: Gerade in den USA laufen die Diskurse ganz anders.

00:12:34: Und die Rückendeckung durch diese Stiftung, auch eben im Kontext der Wirtschaftsethik

00:12:40: zu sagen, wenn wir Umweltschutz wirklich ernst nehmen wollen,

00:12:43: dann müssen wir das auch als ökonomische Herausforderung begreifen.

00:12:46: Es geht um ein anderes Wirtschaftsmodell. Ich muss das ökonomische Wissen,

00:12:50: die Nutzung der Märkte für dieses Thema stark in den Blick nehmen,

00:12:53: um wirklich voranzukommen und nicht, wie Hegel es nennt, im Abseits des moralischen

00:12:58: Standpunktes moralische Appelle zu äußern, die aber keine Umsetzung finden.

00:13:02: Und da war für mich diese Stiftung und die Anerkennung in der Stiftung schon

00:13:06: eine wichtige Rückenstärkung, aber auch ein Ansporn, weiterzudenken mit verschiedenen

00:13:12: Akteuren, Wissenschaftlern und Kirchenvertretern international im Diskurs zu sein.

00:13:17: Würden Sie sich selbst auch als einen Zukunftsdenker beschreiben,

00:13:20: als jemand, der nicht nur….

00:13:22: Diskurse heute stimulieren möchte,

00:13:25: sondern der auch Perspektiven für die Gesellschaft von morgen entwirft?

00:13:29: Ja, der Begriff der Zukunft spielt

00:13:31: in erstaunlich vielen kirchlichen Stellungnahmen eine prominente Rolle.

00:13:35: Was Zukunftsforschung so ist, kann man wissenschaftstheoretisch durchaus auch infrage stellen.

00:13:43: Die Prognosen über die Zukunft hauen meistens nicht so genau hin wie vorher gedacht.

00:13:47: Und ich denke, die Zukunft ist voller Überraschungen. Also da kommt es mehr

00:13:51: auf die Offenheit der Zukunft an.

00:13:53: Aber ich denke, mein Selbstverständnis als Theologe ist doch,

00:13:58: dass ich die Wirklichkeit sub spezie eternitate, also unter dem Blickwinkel der

00:14:02: Ewigkeit, unter dem Blickwinkel, was zählt dauerhaft, was ist relevant in vielleicht 100, in 200 Jahren.

00:14:08: Und dieser Blick der Langfristigkeit ist genau das, was Nachhaltigkeit will,

00:14:12: was ich versuche, in die Sozialethik reinzubringen. Und da, denke ich,

00:14:16: kann die Kirche aus dem Vollen schöpfen.

00:14:18: Da ist die Kirche, die Theologie auch verantwortlich, diese Perspektive angesichts

00:14:22: unserer Kurzfristökonomie im Kontrast zu unserer Politik, die an die Wahlzyklen

00:14:27: von vier oder fünf Jahren gebunden ist, eine Langfristperspektive einzubringen.

00:14:31: Ich glaube, das ist originäre Kompetenz und Aufgabe der Theologie.

00:14:35: Für Sie, sagen Sie von sich selbst, ist eine Vereinbarkeit von Wissenschaft

00:14:40: und Glaube gewährleistet.

00:14:43: Das ist ein Satz, dem würden andere auch widersprechen.

00:14:45: Wie ist es für Sie zu dieser festen Haltung gekommen?

00:14:49: Ich glaube, das hat bei mir wahrscheinlich tiefe biografische Wurzeln, dass mein….

00:14:56: Glaube eigentlich nicht primär seine Wurzel in der Vorstellung einer heilen

00:15:02: Welt des Kinderglaubens hat,

00:15:04: sondern eher entstanden ist aus einem Emanzipationsstreben, einer pubertären

00:15:09: Revolte, dass ich mit einem Freund zusammen im Religionsunterricht gesagt habe,

00:15:13: was der Religionslehrer da erzählt, das überzeugt uns nicht.

00:15:16: Wir haben widersprochen, dann haben wir angefangen, Nietzsche und Schopenhauer

00:15:21: und Freud zu lesen und Feuerbach und der Religionslehrer hat es irgendwann nicht ausgehalten,

00:15:27: hat uns an unseren Pfarrer verwiesen, dann an einen philosophierenden anderen Pfarrer

00:15:31: und ich habe darüber eigentlich angefangen zu denken, selber zu denken.

00:15:35: Und zwar haben mich nie die Antworten letztlich befriedigt, aber es ist für

00:15:41: mich ein offener Diskurs geworden.

00:15:42: Und so treibe ich auch Theologie, dass ich denke, der Zweifel gehört irgendwie dazu,

00:15:47: dass eine produktive Kraft weiterzudenken, nicht bei naiven Vorstellungen stehen

00:15:51: zu bleiben und so auch mit dem zweifelnden Teil meiner eigenen Seele,

00:15:56: aber auch Zweifelnden in der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen,

00:16:00: bessere Theologie zu treiben.

00:16:02: Und ich glaube, ich habe auch die Erfahrung gemacht, den Anspruch,

00:16:07: Glaube und Vernunft zusammenzubringen, erstens aus dem Unbehagen,

00:16:11: wo in der Kirche Ideologie und Unvernunft herrscht.

00:16:14: Das hat mich immer genervt, das ist das etwas, was mich vorantreibt, dem zu widersprechen.

00:16:19: Ich hatte die Förderung vom Cusanuswerk, also die bischöfliche Förderung vom

00:16:23: Studium und das ist schon von Anfang an eigentlich der Versuch,

00:16:27: Katholizität und Vernunft zusammenzubringen gegen viele Widerstände. Und ich habe studiert,

00:16:33: zuerst habe ich Philosophie abgeschlossen bei den Jesuiten an der Hochschule

00:16:36: für Philosophie und ich habe eigentlich im Rahmen der Philosophie oft viel präziser

00:16:42: meine Fragen wiedergefunden.

00:16:44: Die mir dann irgendwie Nahrung und Substanz für den Glauben gegeben hat,

00:16:48: als in nur theologischen Vorlesungen.

00:16:51: Und es bleibt natürlich ein Spannungsverhältnis zwischen Glaube und Vernunft,

00:16:55: aber der Versuch, das zusammenzubringen, hat eine, denke ich, alte Tradition.

00:16:59: Nicht zuletzt sind die Universitäten in Europa aus der Theologie,

00:17:03: aus dem christlichen Kontext heraus entstanden.

00:17:05: Wir sind an der LMU die Fakultät Nummer 1 und ich denke, das braucht unsere

00:17:09: Gesellschaft dringend. Wir hatten ja vor kurzem den RHI-Talk zu Religion und Demokratie.

00:17:15: Wenn Religion gebraucht wird für den Rückzug ins Irrationale,

00:17:20: dann ist sie gefährlich, dann ist sie ein gefährlicher Faktor für die Demokratie,

00:17:25: ein Gegenspieler zur Demokratie.

00:17:26: Und mein Grundimpuls in der Sozialethik, was ich erreichen will,

00:17:31: eben den Glauben auf das Tribunal der Vernunft zu stellen, den Glauben mit der Vernunft zu verbinden,

00:17:36: ihn rechenschaftspflichtig zu machen, zu unterscheiden, wo hilft der Glaube

00:17:41: für Freiheit, für Vernunft, für Menschlichkeit und dies voranzubringen.

00:17:47: Voranzubringen, das ist es, was mich vorantreibt und ich glaube,

00:17:51: da kommen wir nie an ein Ende.

00:17:52: Aber eigentlich ist die tiefste christliche Tradition, dass der Glaube zur Vernunft

00:17:58: verpflichtet und vielleicht zu einer Erweiterung des Horizontes von Vernunft auch befähigt.

00:18:05: Ist das auch gleichzeitig die Antwort auf den Satz, dass Sie mal gesagt haben,

00:18:09: die Welt hängt ohne Gott im Leeren?

00:18:12: Das ist ein Zitat von meinem Doktorvater Wilhelm Korf.

00:18:15: Ja, der hat immer die Theologie oft nicht so explizit formuliert,

00:18:21: aber in so poetischen Schlusssätzen meistens bei seinen Vorträgen und Texten kommt es vor.

00:18:26: Wir arbeiten nicht im Nichts, die Welt hängt nicht im Leeren.

00:18:29: Also diese Hoffnung, dass es Sinn gibt, dass wir nicht letztendlich resignieren

00:18:34: müssen, das ist schon eine wichtige Hoffnung, die mich antreibt.

00:18:37: Und ich glaube, diese Hoffnung, dass die Welt letztlich nicht im Leeren hängt,

00:18:42: die befähigt uns dann, die Welt, das heißt auch die empirische Forschung,

00:18:47: die Vernunft ernst zu nehmen.

00:18:50: Und zugleich aber auch zu wissen, dass die Vernunft nicht alles ist.

00:18:54: Das ist, glaube ich, auch ganz wichtig. Eine Vernunft, die sich absolut setzt,

00:18:58: die wäre auch defizitär, gerade für die Ethik. Ich nenne es den rationalistischen Fehlschluss.

00:19:03: Wir müssen zwar nach vernünftigen Begründungen suchen, aber David Hume sagt,

00:19:08: die Vernunft ist die Sklavin der Leidenschaften. Was uns bewegt zum Handeln,

00:19:12: die Emotionen, das heißt ja auch Emotio, was uns bewegt.

00:19:15: Das heißt, da brauchen wir eine Kultivierung der Emotionen, da brauchen wir,

00:19:19: da brauchen wir, da ist die Religion ein ganz wichtiger Faktor.

00:19:23: Etwas, Geschichten, die man erzählt, Riten, die die Emotionen ansprechen.

00:19:26: Also um die Ethik umzusetzen, brauchen wir auch die Religion,

00:19:29: aber ich darf die Religion nicht verwenden, um meine Unvernunft mit dem Namen

00:19:33: Gottes zu decken, das wäre schlecht. Sondern es ist ein Ergänzungsverhältnis.

00:19:38: Ich brauche die Vernunft und die Vernunft muss immer kritisch weiter reflektieren,

00:19:42: aber für eine Ethik brauche ich auch die Emotionen, brauche ich die Sinnvorstellungen,

00:19:46: die Menschenbilder, die Gottesvorstellungen und da ist der christliche Glaube

00:19:51: für mich ein ganz wichtiger Anker.

00:19:53: Sie sind eine größere Familie und von dem, was Sie jetzt berichten mit Ihren

00:19:59: Kindern, auch der Anker zwischen eben der Emotion und der Vernunft.

00:20:04: Hat Ihnen der Blickwinkel, hat der Sie manchmal auch beim Abendessen begleitet,

00:20:08: wenn Sie mit Ihren Kindern und Frau und Begleiterinnen, Begleitern,

00:20:14: Patenkindern am Tisch saßen?

00:20:16: Wurde dort heiß diskutiert? Wir haben oft diskutiert und so.

00:20:20: Meine drei Kinder sind durchaus auch skeptisch. Theologe, Theologe ist keiner

00:20:25: der drei Söhne geworden. Keiner Theologe geworden?

00:20:28: Nee, und klar, sie beobachten sehr kritisch, was in der Kirche geschieht.

00:20:32: Aber ich denke, wichtig ist,

00:20:37: dass wir trotzdem auch zusammen Weihnachten mit vielen Riten und Ostern zusammen

00:20:41: feiern, also dass sie das respektieren, dass ich aus dem Glauben heraus auch

00:20:46: eine Motivation habe und meine Frau auch,

00:20:48: die sich mit Riten oft viel besser auskennt als ich, also richtig einen bayerischen

00:20:53: Katholizismus auch praktiziert,

00:20:56: denke ich, das ist auch etwas, wovon ich viel auch profitiere.

00:21:04: Also insofern spielt Religion auch mit Tischgebeten durchaus eine Rolle,

00:21:08: aber auch das kritische Infragestellen, das ist für meine Söhne auch wichtig.

00:21:12: Und ich glaube schon, dass es allen dreien oder bei allen dreien gelungen ist,

00:21:17: dass irgendwie sie ein Gespür haben, dass es so etwas wie Transzendenz gibt,

00:21:22: dass der Glaube ein wichtiger Hintergrund ist, auch für ihre Lebensorientierung,

00:21:28: für ihren moralischen Kompass.

00:21:30: Und dass sie auch mit Traditionen vertraut sind, die, denke ich,

00:21:36: sie auf ihre Weise dann vielleicht auch in Zukunft aktiver als gegenwärtig umsetzen werden.

00:21:42: Sie selbst, in Ihrem Elternhaus wurde dort auch diskutiert?

00:21:47: Ist das ein logischer Weg, dass Sie bei der Philosophie gelandet sind?

00:21:53: Jenseits des Religionslehrers, wurden Sie gefördert und unterstützt in

00:21:58: Ihrem akademischen Werdegang?

00:22:01: Ich denke schon, wir haben diskutiert zu Hause, aber es ist nicht immer so eine

00:22:06: aktive Diskussionskultur, hat es bei uns zu Hause gegeben.

00:22:10: Ich denke, da gab es Freunde, wo offener und für mich spannender,

00:22:14: offensiver diskutiert worden ist.

00:22:17: Für mich ist eigentlich...

00:22:20: Ich bin es relativ spät im Familienkreis nochmal dazu gekommen,

00:22:24: als ich gesagt hatte, ich gehe nicht in die Kirche.

00:22:26: Was der Pfarrer erzählt, ist Quatsch.

00:22:30: Und dann gab es durchaus kontroverse Gespräche mit meinem Vater und wir haben

00:22:36: uns dann geeinigt, wir gehen in eine andere Kirche, wo vernünftigere Predigten

00:22:39: waren. Und darüber haben wir dann oft diskutiert.

00:22:41: Aber das ist das, was ich vorhin erzählt hatte, eher aus einer pubertären Revolte,

00:22:45: wo ich dann anfing, selber zu denken und Argumente mir zu überlegen.

00:22:49: Da sind dann zum ersten Mal auch nochmal intensivere, substanziellere Diskurse

00:22:54: auch bei uns am Tisch so entstanden.

00:22:57: Und da ist für mich auch vielleicht prägend, also aus der Familie meiner Mutter,

00:23:03: ihr Vater, der war mit Martin Buber befreundet und das hatte ich früher als

00:23:08: Kind auch gar nicht gewusst, aber das ist dann relativ spät

00:23:11: auch nochmal, mir hat mich dann stärker interessiert, auch seinen Briefwechsel

00:23:16: mit Martin Buber anzuschauen und von der jüdischen Philosophie,

00:23:20: der Dialogphilosophie, das hat mich geprägt.

00:23:23: Dann hatte ich auch im Nachbarschaft zu einem Juden viel Kontakte und Gespräche.

00:23:27: Ich habe dann Zivildienst gemacht im jüdischen Altenheim, Eisenberg Seniorenheim

00:23:31: und da viele kennengelernt.

00:23:33: Also das war für mich auch ein wichtiger Zugang zum Glauben und durchaus so

00:23:37: diese existenziellen Erfahrungen bis hin zum Holocaust.

00:23:40: Diesen Erfahrungen, viele Fragen, schwer zu beantwortende Fragen,

00:23:44: die mir aber nochmal theologisch zu denken gegeben haben und mich motiviert

00:23:50: haben, mich mit Theologie intensiver auseinanderzusetzen.

00:23:54: Ist Ihr Freund von damals auch

00:23:56: Wissenschaftler geworden, mit dem Sie den Religionszoff angezettelt haben?

00:24:00: Der ist Lehrer geworden, ist stellvertretender Schulleiter.

00:24:04: Sie sind noch in Kontakt miteinander? Ja, wir hatten uns zwischendurch aus den

00:24:08: Augen verloren und vor gut fünf Jahren haben wir uns intensiv wieder getroffen

00:24:16: und machen sehr viel zusammen,

00:24:17: gehen wandern zusammen, diskutieren zusammen.

00:24:20: Und das ist eine sehr schöne Freundschaft und er ist vor allem auch leidenschaftlicher Theaterpädagoge.

00:24:28: Also er schreibt fast jedes Jahr ein Theaterstück, hat er für seine Schüler

00:24:32: gemacht und das aufgeführt und da bin ich intensiv im Gespräch mit ihm.

00:24:36: Und wir haben vor kurzem auch eben zusammen an einem Text geschrieben,

00:24:41: ein Oratorium für die Umwelt-Enzyklika Laudato Si.

00:24:44: Da hatte ich von einer Stiftung den Auftrag, das zu schreiben.

00:24:47: Habe mich erst am Anfang gar nicht getraut, weil ich dachte,

00:24:50: ich habe noch nie einen poetischen Text geschrieben, war mit einem Komponisten

00:24:53: im intensiven Gespräch.

00:24:55: Und dann hat der Komponist gemeint, Gregor Mayrhofer, ihm wäre es am liebsten,

00:25:00: wenn ich das für ihn schreiben würde, damit er nichts zu Frommes vorgesetzt bekommt,

00:25:06: was er dann nicht schreiben mag.

00:25:08: Und da habe ich mich sehr intensiv mit meinem Freund, der eben noch Germanistik

00:25:12: studiert hat, und gewohnt war, auch poetische Texte zu schreiben.

00:25:16: Und da haben wir uns zusammengetan, eben diesen poetischen Text für ein Oratorium

00:25:22: zu schreiben. Der auch vertont wurde?

00:25:25: Genau, der ist vertont worden und das Oratorium hat den Titel "Wir sind Erde".

00:25:31: Das ist ein Zitat aus der Enzyklika, aber es ist natürlich auch eine anthropologische Aussage.

00:25:35: Sowohl im Hebräischen ist die Aussage, dass der Mensch ist Adam,

00:25:40: heißt aus der Erde genommen.

00:25:41: Und im Lateinischen, der Mensch ist Homo, also auch von Humus.

00:25:46: Also wir sind Teil der Erde als eine Demutsgeste.

00:25:49: Das ist eine ganz wichtige anthropologische Aussage. Das haben wir in den Mittelpunkt

00:25:53: gestellt und die Berliner Philharmoniker oder in der Berliner Philharmonie,

00:25:58: das Orchester des Wandels aus den Berliner Philharmonikern haben das im November

00:26:01: letzten Jahres aufgeführt.

00:26:03: Es waren 1600 Leute bei der Uraufführung dabei. Ich hoffe, dass es noch öfter

00:26:08: aufgeführt werden wird.

00:26:10: Das hat mir großen Spaß gemacht. Das war eine Herausforderung,

00:26:13: auch meine dröge Wissenschaft in einen poetischen, in einen singbaren Text zu übersetzen.

00:26:18: Ich habe lange gestritten, viel gestritten mit dem Komponisten Gregor Mayrhofer,

00:26:23: aber er meinte oft, er ist nicht fromm genug.

00:26:28: Und ich hatte nochmal dann gesagt, das stört mich gar nicht,

00:26:32: dass er nicht so fromm ist, sondern es soll ja, wir haben es dann genannt,

00:26:36: ein weltliches Oratorium.

00:26:37: Es soll als Adressaten gerade auch nicht nur Theologen treffen,

00:26:41: sondern auch Zweifelnde, auch Atheisten.

00:26:43: Und wir haben genau das zum Gegenstand des Diskurses gemacht.

00:26:48: Das heißt, die Idee, einen wissenschaftlichen Text, so ein Lehrschreiben von 170

00:26:51: Seiten zu übersetzen in

00:26:54: eine Dramaturgie. Ein Oratorium braucht ja einen Ereigniskarakter,

00:26:59: einen Spannungskarakter.

00:27:00: Dann haben wir den Dialog zwischen der Theistin, die fromm ist,

00:27:03: zwischen dem Zweifelnden, das ist der Skeptiker, zwischen dem Dataisten,

00:27:09: ein Wissenschaftler, der an Daten und Fakten nur glaubt und einer Humanistin,

00:27:14: die die Welt retten will durch Moral.

00:27:15: Und das Spannungsfeld dieser vier Akteure haben wir immer in den Dialogen zum

00:27:22: roten Faden des Geschehens gemacht und da hatten wir gleichzeitig vier Stimmen,

00:27:26: da hatten wir Spannung und der Skeptizist,

00:27:28: der glaubt, dass sowieso alles schon zu spät ist und daraus hat sich irgendwie

00:27:33: das ganze Oratorium auch sehr organisch und dynamisch entwickelt.

00:27:37: Herr Vogt, man spürt wirklich die Leidenschaft, wie Sie für Ihr Thema brennen

00:27:42: und auch den Dialog und die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen.

00:27:45: Der Titel "Wir sind Erde" inspiriert mich jetzt doch nochmal,

00:27:51: Sie auch zu fragen, die Zeitschrift Die Zeit hat eine neue Serie gestartet,

00:27:56: eigentlich um mit Kindern zu philosophieren, aber sie stellt die Frage: Wem gehört die Welt?

00:28:01: Und mich würde interessieren, was sagt Markus Vogt denn auf diese Frage? Wem gehört die Welt?

00:28:07: Die wichtigste Antwort, sie gehört nicht nur den Reichen.

00:28:10: Und es ist ja so, dass immer weniger 1% hat die Hälfte des Vermögens in der

00:28:16: Hand und lenkt die Welt sehr stark nach den Kapitalinteressen.

00:28:19: Karl Amary, auch ein ökologischer Vordenker, spricht von der Überantwortung

00:28:23: des Weltschicksals ans Kapitalinteresse.

00:28:25: Und ich glaube, dem müssen wir Kontra bieten.

00:28:28: Also die Welt gehört allen, soll allen Menschen gehören und,

00:28:32: denke ich, schöpfungstheologisch erweitert, es gibt den Eigenwert der Natur,

00:28:37: der Tiere, der Pflanzen. Also die Pflanzen sollen sich selber gehören.

00:28:43: Also es gibt nicht nur den Kapitalwert der Natur und nicht nur den Nutzenwert,

00:28:50: sondern auch den Existenzwert.

00:28:52: Also gerecht die Ansprüche an die Welt zu teilen. Ich deshalb bin ich trotzdem

00:28:58: für Privateigentum, weil was uns gehört, sind wir in der Regel bereit,

00:29:02: effizienter und verantwortlicher zu nutzen.

00:29:05: Also quasi, ich kann vielleicht auch Eigentumsrechte an bestimmten Ressourcen

00:29:11: definieren. Das Problem ist, gerade die Atmosphäre gehört niemand und wir benutzen

00:29:16: sie als kostenlose Müllhalde.

00:29:17: Also Eigentumsrechte, in dem Fall Verschmutzungsrechte für CO2 zu definieren.

00:29:24: Einen Handel, einen Markt dafür zu etablieren, das halte ich für sehr wichtig.

00:29:27: Also Eigentumsrechte können ein Instrument sein zur Förderung von verantwortlichem Umgang.

00:29:33: Aber klar ist, das sind Konstrukte, die wir machen, um unser Zusammenleben zu organisieren.

00:29:40: Im Letzten ist die Welt Eigentum Gottes und das sollten wir respektieren.

00:29:44: Wir dürfen sie nur nutzen, aber wir haben sie nur von unseren Nachkommen geliehen.

00:29:48: Wir müssen sie verantwortlich auch weitergeben an die nächste Generation.

00:29:52: Zu den Fragen arbeiten Sie auch im Zentrum für Nachhaltigkeit,

00:29:56: was Sie mit an der LMU im letzten Jahr begründet haben.

00:29:59: Ja, genau. Also das Münchner Zentrum für Nachhaltigkeit haben wir im November 2023 gegründet.

00:30:06: Es ist ein interdisziplinäres Zentrum. Es ist aufgehängt an der katholisch-theologischen

00:30:10: Fakultät, stark im Zusammenhang mit den Geowissenschaften.

00:30:14: Ich habe dort eine Zweitmitgliedschaft für die eher ökologischen Arbeiten,

00:30:18: interdisziplinären Arbeiten. Und wir verstehen uns sehr gut.

00:30:22: Und wir hatten immerhin die Gründungsversammlung mit 450 Leuten.

00:30:25: Das war für uns ein schöner Rückenwind, aber es ist durchaus viel Arbeit,

00:30:30: so ein Zentrum zu gründen, zu finanzieren, durch Forschungsprojekte zu etablieren.

00:30:35: Aber wir wollen auch neue Studiengänge, zum Beispiel Bildung für Nachhaltigkeit

00:30:38: für Lehrer, auch gründen und das voranbringen.

00:30:43: Das ist durchaus für mich eine Herausforderung, weil ich im ökologischen Kontext

00:30:48: den Eindruck habe, es ist eine Querschnittsherausforderung.

00:30:53: Die verschiedenen Fächer müssen zusammenarbeiten, um das Wissen so voranzubringen,

00:30:58: dass es wirklich hilfreich ist fürs Orientieren.

00:31:00: Die Theologie ist eine ganz wichtige Ressource und Quelle, aber eben eine unter anderen.

00:31:06: Und wenn wir als Theologen unter uns bleiben, dann werden wir nicht hinreichend

00:31:10: verstanden. Insbesondere derzeit bei dem Imageproblem, was die katholische Kirche hat.

00:31:14: Das heißt, wir müssen interdisziplinär arbeiten.

00:31:17: Dann können wir aber die tiefen Dimensionen der Theologie, die sinnfragenden

00:31:21: Menschenbilder, das Weltbild durchaus sehr fruchtbar in den Dialog einbringen.

00:31:26: Ich glaube, für die Bündelung des Diskurses.

00:31:29: Und das ist das, was wir in diesem Münchner Zentrum für Nachhaltigkeit an der LMU versuchen.

00:31:33: Wenn Sie in Ihre Kollegenschaft weiter hineinschauen, auch gerade an die jungen

00:31:38: WissenschaftlerInnen, die

00:31:40: nachkommen, was wünschen Sie sich für die neuen Forschungsperspektiven?

00:31:47: Ich wünsche mir natürlich engagierte WissenschaftlerInnen und ich habe das Glück,

00:31:52: dass ich relativ viele Promoventen und Habilitanten auch international habe.

00:31:56: Und für mich ist es eher, ich bin schön von ihnen auch viel zu lernen,

00:32:01: ich bin oft eher Lernender als Lehrender und die untereinander auch im Dialog

00:32:06: sind und das merkt man immer, wenn einer eine gute Idee hat,

00:32:10: taucht es auch bei anderen auf und denke ich, das ist das, was mir auch an der

00:32:14: Universität am meisten Spaß macht,

00:32:16: mit jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen zu sein,

00:32:20: von ihnen zu lernen, mit vielleicht auch manchmal zu leiden,

00:32:23: bis so eine Arbeit dann geschrieben ist.

00:32:25: Das ist oft ein mühsamer Prozess, da gibt es viele Widerstände,

00:32:28: innere und äußere Widerstände.

00:32:30: Aber so eine größere Arbeit zustande bringen, aber das zu begleiten,

00:32:34: das macht mir an der Universität sehr viel Spaß.

00:32:36: Sie haben einfach Spaß und Freude an und mit den Menschen. Vielleicht.

00:32:40: Vielen Dank für das Gespräch. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für mich genommen

00:32:44: haben, Herr Professor Vogt.

00:32:46: Sehr gerne. Nur wer die richtigen Fragen stellt, findet am Ende auch die Antworten,

00:32:52: die zu einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung Deutschlands beitragen.

00:32:57: Dr. Martin Lang geht diesen Fragen in den RHI-Kontexten auf den Grund.

00:33:02: Schauen Sie rein auf unserer Webseite unter romanherzoginstitut.de oder auf

00:33:09: unserem YouTube-Kanal.

00:33:10: Tina Maier-Schneider trifft alle zwei Wochen die Menschen dahinter im Podcast

00:33:15: des Roman Herzog Instituts. Zu hören überall, wo es Podcasts gibt. Abonnieren Sie uns!

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