Special RHI-Talk #8: Nico Lange - Warum müssen wir den Angriffskrieg abwehren, um unsere Demokratie zu verteidigen?

Shownotes

„Ohne Sicherheit in der Ukraine keine Sicherheit in Europa“, sagt Nico Lange. Heute kommt der RHI-Podcast als Sonderfolge zu Ihnen. Im Rahmen des RHI-Symposiums am 15. November 2023 haben wir uns gemeinsam mit neun Expertinnen und Experten unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen dem Thema „Perspektiven Demokratie“ gewidmet. Ihre Beiträge spiegeln diverse Aspekte von Demokratie wider, sie regen zum Nachdenken an, sind teils durchaus besorgniserregend und machen teils Hoffnung. In dieser Podcastfolge spreche ich zunächst mit Nico Lange in einem kurzen Schlaglichtinterview, damit Sie ihn etwas besser kennenlernen können. Dann folgt der ausführliche Mitschnitt des Vortrags. Ich kann Ihnen versprechen: Es lohnt sich, bis zum Ende zuzuhören. Dabei wünsche ich Ihnen jetzt viel Vergnügen!

Über uns: Aus interdisziplinärer Perspektive setzt sich das Roman Herzog Institut mit Werten, Führungsfragen und Zukunftsaussichten auseinander. Dabei fühlen wir uns in erster Linie den reformerischen Anliegen unseres Namensgebers Roman Herzog verpflichtet. Jenseits aller tagespolitischen Aktualität wollen wir eine langfristige Perspektive für Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln. Dafür arbeiten wir auf wissenschaftlicher Basis, bringen unterschiedlichste Akteure zusammen, fördern den interdisziplinären Ergebnisaustausch und den gesellschaftlichen Dialog. Unsere Arbeitsergebnisse stellen wir der Öffentlichkeit durch Videos, Publikationen und Veranstaltungen zur Verfügung.

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Thinktank #Wissenschaft #Gesellschaft #Deutschland #Demokratie #Politik #Sicherheit #Ukraine

Transkript anzeigen

00:00:00: Der Podcast des Roman-Herzog-Instituts.

00:00:04: "Durch Deutschland muss er in Ruck gehen."

00:00:06: Tina Meier-Schneider spricht mit Menschen,

00:00:08: für die diese Aufforderung eine Aufgabe ist.

00:00:12: "Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man schnell Entscheidungen trifft,

00:00:16: kommt man schneller voran und man hat den Kopf frei für andere Dinge."

00:00:19: "Putin sagt: Ich habe die Ukraine angegriffen,

00:00:24: um die europäische Ordnung umzugestalten.

00:00:27: Der Kern des Krieges bedeutet, dass wenn Russland gewinnt,

00:00:32: unser Leben in Deutschland und Europa unfreier wird,

00:00:37: undemokratischer und ärmer."

00:00:41: Wir müssen diejenigen sein, die stark sind

00:00:46: und dadurch, dass wir unsere Angst überwinden,

00:00:48: vielleicht auch andere zum Mittun anregen.

00:00:50: Wir müssen den Angreifer zurückschlagen

00:00:52: und wir müssen sicherstellen,

00:00:54: dass der Angreifer niemanden mehr überfallen kann.

00:00:57: Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

00:01:00: Mein Name ist Tina Meier-Schneider

00:01:04: und Sie hören den Podcast aus dem Roman-Herzog-Institut.

00:01:07: Diesmal aber nicht, wie Sie es gewohnt sind,

00:01:09: mit einem normalen Interview, sondern mit einer Sonderfolge.

00:01:13: Im Rahmen des RHI-Symposiums am 15.11.2023

00:01:18: haben wir uns gemeinsam mit zehn Expertinnen und Experten

00:01:22: unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen

00:01:25: dem Thema "Perspektiven Demokratie" gewidmet.

00:01:28: Alle Beiträge spiegeln diverse Aspekte von Demokratie wieder.

00:01:32: Sie regen zum Nachdenken an, sind teilweise besorgniserregend,

00:01:35: machen aber auch Hoffnung.

00:01:37: In dieser Podcastfolge lernen Sie zunächst die

00:01:40: oder den jeweiligen Referierenden

00:01:42: in einem kurzen Schlaglichtinterview etwas besser kennen.

00:01:46: Und dann folgt der ausführliche Mitschnitt des Vortrags.

00:01:49: Ich kann Ihnen versprechen, es lohnt sich, bei allen dran zu bleiben

00:01:53: und bis zum Ende zu zuhören.

00:01:55: Und dabei wünsche ich Ihnen jetzt ganz viel Vergnügen.

00:01:58: Herr Lange, heute RHI-Talk.

00:02:03: Jetzt sind Sie aufgeregt?

00:02:06: Ist das Routine für so einen alten Fernsehhasen wie Sie?

00:02:10: Ja, gespannt ist man immer.

00:02:12: Und eine innere Anspannung ist ja auch nicht schädlich.

00:02:15: Und ich spreche zu einem Thema, das mir sehr wichtig ist

00:02:19: und über das zu wenig gesprochen wird in Deutschland. Insofern,

00:02:23: würde ich nicht sagen aufgeregt, aber schon eine gewisse Anspannung.

00:02:27: Ohne dass Sie verraten, was Ihre Antwort sein wird,

00:02:30: denn alle, die das jetzt hören sollen,

00:02:33: können natürlich auf dem RHI-YouTube-Kanal ihren Talk nacherleben.

00:02:37: Was ist Ihr Thema? Wozu werden Sie heute auftreten?

00:02:41: Es geht um die Frage, warum wir dabei helfen müssen,

00:02:47: Putins Angriffskrieg abzuwehren.

00:02:49: Nicht nur um der Ukraine zu helfen, sondern um uns selbst zu helfen.

00:02:53: Weil Putin in Wahrheit die europäische Ordnung

00:02:56: und die europäische Demokratie angreift

00:02:58: und weil er die Art, wie wir leben, zerstören will.

00:03:01: Und diese Verbindung ist, glaube ich, vielen oft nicht klar.

00:03:06: Die denken, wenn man der Ukraine hilft,

00:03:08: dann ist das irgendwie Almosen oder Gutmütigkeit,

00:03:10: aber es geht um uns selbst und um unsere eigenen Interessen.

00:03:12: Es geht auch um die Frage, wie wir in Europa eigentlich künftig leben wollen.

00:03:16: Und darüber werde ich sprechen.

00:03:18: Interessen ist gleich so ein Stichwort für mich.

00:03:20: Sie kommen wirklich ganz klar mit Ihrem Thema rüber, kann ich schon sagen.

00:03:27: Wie schnell gelingt es Ihnen selbst denn, Entscheidungen zu treffen?

00:03:31: Ja, ich bin grundsätzlich schnell, Dinge zu entscheiden,

00:03:35: weil wenn man so lange rumeiert und rumdruckst,

00:03:38: dann kommt man ja gar nicht voran.

00:03:41: Und man muss, glaube ich, eine gute Analyse haben

00:03:45: und schnell in der Lage sein, eine vernünftige Analyse aufzustellen,

00:03:48: dann kann man sich auch gut entscheiden.

00:03:50: Ich glaube, bei vielen Leuten kommt es ein bisschen aus der Unsicherheit.

00:03:53: Weiß ich alles, kann ich wirklich dem, was ich weiß, vertrauen.

00:03:57: Und dann fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen.

00:03:59: Aber ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man schneller Entscheidungen trifft,

00:04:02: kommt man schneller voran.

00:04:04: Und man hat den Kopf frei für andere Dinge.

00:04:06: Wo holen Sie Ihre Infos her?

00:04:08: Worauf können Sie vertrauen?

00:04:10: Ich habe lange in Russland und in der Ukraine gelebt.

00:04:13: Also beim Thema Russland und Ukraine ist es so, ich spreche beide Sprachen fließend.

00:04:16: Ich kenne viele Leute dort, mit denen ich ständig spreche, die ich anrufe.

00:04:21: Ich kann mich auf viele Originalquellen berufen.

00:04:24: Ich bin also nicht darauf angewiesen, von Twitter was abzuschreiben

00:04:27: oder irgendwie nur erweitertes Zeitungswissen aufzubauen.

00:04:33: Das ist auch, glaube ich, ganz wichtig.

00:04:36: Und es kommt noch etwas hinzu, was den Krieg im Speziellen betrifft.

00:04:40: Man kann diesen Krieg wie kaum einen anderen Krieg sehr genau beobachten.

00:04:44: Mit Satellitenbildern, die man kommerziell beziehen kann.

00:04:47: Mit Daten, also mit sehr modernen Instrumenten,

00:04:50: kann man auch Informationen gewinnen, die man vertrauen kann.

00:04:53: Danke, dass Sie uns jetzt schon mal so einen Kurzeinblick gegeben haben

00:04:57: auf sich und Ihr Thema.

00:04:59: Und wir sind total gespannt auf Ihre Antwort auf die Frage:

00:05:03: Warum müssen wir den Angriffskrieg abwehren, um unsere Demokratie zu verteidigen?

00:05:08: Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei Ihrem Auftritt heute.

00:05:11: Danke, ich freue mich darauf.

00:05:13: Wir haben November.

00:05:17: November ist ein etwas schwieriger Monat.

00:05:21: Es ist dunkel, es ist kalt, es ist oft auch regnerisch.

00:05:27: Und ich habe mich gerade heute daran erinnert,

00:05:30: weil ich vor zehn Jahren, fast genau auf den Tag,

00:05:34: vor zehn Jahren in Kiew zu Besuch war bei Freunden.

00:05:38: Und die während des Besuchs gesagt haben, Nico, komm, wir gehen demonstrieren,

00:05:43: komm mit.

00:05:45: Wir müssen jetzt was tun für unsere Demokratie.

00:05:49: Es geht um Europa.

00:05:52: Und da stand ich dann mit meinen ukrainischen Freunden.

00:05:56: Und ich hatte so Schuhe an, noch von einem Termin mit sehr dünnen Sohlen,

00:06:01: hatte sehr schnell nasse Füße, kalte Füße.

00:06:04: Es regnete in Strömen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew,

00:06:08: mitten in der Stadt.

00:06:10: Und da waren vielleicht so 60, 80 Leute,

00:06:14: viele, die ich kannte aus meiner Arbeit in der Ukraine,

00:06:17: die angefangen haben zu demonstrieren,

00:06:20: weil an dem Tag der damalige Präsident Viktor Janukowitsch

00:06:23: ein Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterschrieben hat,

00:06:26: das lange fertig verhandelt war.

00:06:29: Und weil es autoritäre Tendenzen gab in der Ukraine.

00:06:32: Und diese jungen Menschen, die meine Freunde, Bekannten

00:06:35: waren zu der Zeit, die haben dort demonstriert,

00:06:38: die hatten eigentlich andere Pläne mit ihrem Leben.

00:06:40: Die haben ein Restaurant aufgemacht oder eine Firma gegründet

00:06:43: oder im Immobilien-Geschäft gearbeitet.

00:06:48: Aber jetzt haben sie gesagt, jetzt mischen wir uns ein.

00:06:50: Jetzt gehen wir in die Politik, wir müssen jetzt was tun.

00:06:53: Und das ist sehr ähnlich zu dem, was bei uns hier

00:06:57: die Bürger in der DDR gemacht haben,

00:07:00: was Menschen in Mittel- und Osteuropa gemacht haben,

00:07:02: die auf die Straßen gegangen sind und gesagt haben,

00:07:05: wir wollen Teil der Familie der europäischen Demokratien sein.

00:07:09: Wir wollen selbst bestimmen, wie wir leben,

00:07:11: wir wollen frei sein,

00:07:12: wir wollen unsere eigenen Dinge selbst entscheiden.

00:07:15: Und in der DDR ist es gelungen mit der friedlichen Revolution.

00:07:19: Viele der Mittel-Osteuropäischen Staaten

00:07:22: gehören heute zu der Familie der europäischen Demokratien.

00:07:26: Die Freunde in der Ukraine haben das leider viel schwieriger als andere.

00:07:30: Das war schon das zweite Mal,

00:07:32: dass sie im Winter demonstriert haben,

00:07:34: nach der orangen Revolution 2006.

00:07:37: Aus dieser Demonstration, die an diesem Novemberabend anfing,

00:07:40: wurden Proteste von 100.000,

00:07:43: die aber versucht wurden,

00:07:45: gewaltsam niederzuschlagen.

00:07:47: An deren Ende, der damalige Präsident Janukowitsch dafür verantwortlich ist,

00:07:51: dass über 100 junge Demonstranten

00:07:54: erschossen worden sind bei dieser Demonstration.

00:07:57: Und als es endlich gelungen ist,

00:07:59: als man endlich geschafft hatte,

00:08:01: Janukowitsch zu vertreiben,

00:08:03: als der abgehauen ist,

00:08:05: da hat Putin den Krieg begonnen.

00:08:08: Mit der Annexion der Krim,

00:08:11: mit der militärischen Intervention im Donbass,

00:08:15: und seitdem ist die Ukraine im Krieg.

00:08:19: Und wenn man sich die Entwicklung seit 2014 anguckt,

00:08:23: dann hat die Ukraine es geschafft,

00:08:25: sich im Donbass zu verteidigen,

00:08:28: diesen Krieg zu führen, den Putin angefangen hat.

00:08:32: Gleichzeitig aber den Weg in Richtung europäischer Demokratie weiterzugehen.

00:08:36: In der Ukraine gab es mehrere demokratische Wahlen in dieser Zeit.

00:08:40: Der Präsident hat friedlich gewechselt,

00:08:42: wie viele Länder gibt es im postsefettischen Raum,

00:08:44: in denen das gelingt.

00:08:46: Die Ukraine hat viele neue Gesetze erlassen,

00:08:49: Standards verändert, mit vielen Dingen auch Schwierigkeiten gehabt,

00:08:52: war wirtschaftlich aktiv,

00:08:54: hat ihr Leben ausgebaut von 2014 an,

00:08:57: trotz der Ereignisse mit der Annexion der Krim

00:09:00: und der Intervention im Donbass.

00:09:03: Wir haben in der Zeit seit 2014

00:09:06: auf der Grundlage von Wunschdenken weiter operiert.

00:09:09: Putin meint das gar nicht so,

00:09:11: das kann noch gelingen mit Russland,

00:09:13: wir bauen trotzdem die Nordstream-2-Pipeline zu Ende,

00:09:16: wir wollen noch gute Beziehungen haben,

00:09:19: bloß niemanden reizen,

00:09:21: bloß niemanden eskalieren, bloß nicht zu viel über europäische Einigung

00:09:24: und über NATO sprechen, nicht, dass uns noch was passieren kann

00:09:28: und das wird schon alles irgendwie werden.

00:09:31: Putin hat übrigens auch mit unserem Geld,

00:09:34: das wir bezahlt haben für das Gas,

00:09:37: militärisch aufgerüstet.

00:09:40: Er hat seine Streitkräfte ausgestattet, er hat sie üben lassen,

00:09:43: er hat neue Waffensysteme entwickeln lassen,

00:09:46: er hat sie in die Streitkräfte eingeführt

00:09:49: und dann am 24. Februar 2022 der Überfall.

00:09:53: Und meine Freunde, mit denen ich vor zehn Jahren auf dem Maidan stand,

00:09:58: die andere Pläne hatten mit ihrem Leben,

00:10:01: die sich gerade überlegt haben, wie bezahle ich meine Wohnung ab,

00:10:04: was macht die Tochter nach dem Studium,

00:10:07: wie kann ich meinen nächsten Urlaub verbringen,

00:10:10: die mussten sich am 24. Februar 2022 entscheiden.

00:10:13: Was mache ich denn jetzt eigentlich?

00:10:16: Bleibe ich hier, kann ich kämpfen, habe ich militärische Ausbildung,

00:10:19: weiß ich, wie man erste Hilfe leistet,

00:10:22: was mache ich mit meinen Eltern, die auf dem Land wohnen, bleiben

00:10:25: die im Land, bring ich die raus, wo lasse ich meine Kinder,

00:10:28: wenn Marschflugkörper einschlagen, wenn Bomben fallen,

00:10:30: kann ich das überhaupt?

00:10:31: Kann ich meine Angst überhaupt überwinden?

00:10:34: Das mussten die Ukraine-Rinnen und Ukraine für sich entscheiden

00:10:36: am 24. Februar 2022.

00:10:39: Und in der ukrainischen Gesellschaft, so wie die meisten meiner Freunde auch,

00:10:44: haben sich die Allermeisten dafür entschieden zu sagen,

00:10:48: wir bleiben, wir gehen nicht weg, wir lassen uns nicht vertreiben,

00:10:51: wir lassen uns nicht unterwerfen, wir lassen uns nicht unterdrücken,

00:10:54: wir kämpfen für unsere Freiheit, wir kämpfen dafür,

00:10:57: zu den europäischen Demokratien dazu zu gehören.

00:11:00: Wir wollen eine Zukunft für unsere Kinder, die eine Zukunft der europäischen Demokratie ist.

00:11:04: Und weil sich die ukrainische Gesellschaft dafür entschieden hat,

00:11:08: ist Putin mit seinen Angriffsplänen gescheitert.

00:11:11: Er hat Kiev nicht erobert, er musste sich wieder zurückziehen.

00:11:14: Er hat 50 Prozent der Gebiete, die er zwischenzeitlich militärisch erobert hatte,

00:11:20: wieder verloren an die Ukraine.

00:11:22: Er hat einen Krieg angefangen, den er nicht gewinnen kann,

00:11:26: den er jetzt nur noch weiterführt um das Krieges willen.

00:11:31: Aber die Wahrheit ist auch, die Ukrainer bezahlen einen sehr hohen Preis.

00:11:36: Und es ist ein furchtbarer Krieg mit sehr vielen Opfern, mit sehr vielen Toten,

00:11:41: mit Leid, mit Gewalt, mit Vertreibung, mit Flüchtlingen,

00:11:46: mit sehr sehr vielen, sehr sehr schrecklichen Entwicklungen

00:11:51: und weder auf der politischen noch auf der militärischen Ebene

00:11:54: kann man im Moment sagen, dass eine Lösung irgendwie in Aussicht wäre.

00:12:01: Jetzt kann man sich die Frage stellen,

00:12:05: die ukrainischen Freunde, die dort kämpfen an der Front 

00:12:10: in Saporischschja, in Charkiw, in Cherson.

00:12:15: Hier sind etwa 60 Leute in diesem Raum. 

00:12:19: Wir haben es jetzt abends in der Ukraine.

00:12:22: Gucken Sie sich mal um. 60 Personen, das sind die Personen,

00:12:26: die heute verwundet worden sind an der Front, Ukrainer.

00:12:31: Viele davon, 10, 12, werden nicht überleben.

00:12:34: Andere werden keinen Arm mehr haben, keine Beine,

00:12:39: Folgen haben fürs ganze Leben.

00:12:41: Und Sie fragen vielleicht, wie viele das auch in Deutschland fragen,

00:12:44: warum machen die das?

00:12:46: Gibt es nicht irgendeine Lösung? Kann man sich nicht irgendwie einigen?

00:12:49: Kann man sich nicht irgendwie auf was Friedliches einigen?

00:12:51: Können die Ukrainer nicht einfach ein Stück von ihrem Land abgeben,

00:12:54: damit wenigstens irgendwie Frieden ist

00:12:56: und damit der Krieg und das Morden und das Töten aufhören?

00:13:00: Die Ukrainer sagen, es geht doch nicht um ein paar Quadratkilometer.

00:13:05: Es geht um die Frage, ob wir selbst über unser Leben bestimmen können.

00:13:07: Es geht um die Frage, ob wir eine Perspektive haben,

00:13:10: zu den europäischen Demokratien uns hinzuentwickeln.

00:13:13: Es geht darum, frei zu sein und selbst zu bestimmen.

00:13:17: Und wenn Sie sich anschauen, was derjenige, der verantwortlich ist

00:13:20: für die Hunderttausend Toten und für diesen Krieg.

00:13:24: Was Vladimir Putin sagt, dann sagt er vor wenigen Tagen,

00:13:27: auch in diesem Herbst,

00:13:30: die Neuordnung der Welt hat gerade erst begonnen.

00:13:35: Jemand, der einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat,

00:13:37: der für hunderttausende Tote verantwortlich ist,

00:13:40: der sagt, ich habe gerade erst angefangen.

00:13:44: Und ich werde wieder gewählt im nächsten Jahr

00:13:46: und ich will bis 2030 Präsident Russlands bleiben

00:13:50: und in dieser Zeit diesen Krieg weiterführen.

00:13:53: Ich will die Welt umgestalten.

00:13:55: Und Welt umgestalten, das heißt,

00:13:58: statt Menschenwürde, Freiheit, Demokratie,

00:14:03: europäischer Einigung und Frieden,

00:14:06: will Putin Menschenfeindlichkeit.

00:14:10: Unterdrückung, ein autoritäres System, Gewalt, Nationalismus.

00:14:22: Die Ukrainer haben ihre Entscheidung getroffen.

00:14:26: Die Frage ist, wie treffen wir unsere weiteren Entscheidungen?

00:14:33: Putin sagt, ich habe die Ukraine angegriffen,

00:14:36: um die europäische Ordnung umzugestalten.

00:14:42: Der Kern des Krieges bedeutet,

00:14:44: dass wenn Russland gewinnt,

00:14:48: unser Leben in Deutschland und Europa unfreier wird,

00:14:53: undemokratischer und ärmer.

00:14:57: Und er führt diesen Krieg ja nicht nur in der Ukraine,

00:14:59: er führt ihn schon lange auch bei uns.

00:15:02: Mit nützlichen Idioten,

00:15:06: mit Kremlagenten,

00:15:08: mit Populisten, mit Extremisten, mit Desinformation,

00:15:12: mit bezahlten Zynikern,

00:15:14: mit eiskalten Spalterinnen

00:15:17: und mit denjenigen, die auch bei uns eine Sehnsucht danach haben,

00:15:20: das jetzt doch bitte mal wieder ein starker Führer

00:15:23: und eine harte Hand richtig durchgreifen soll.

00:15:31: Wenn wir der Ukraine helfen,

00:15:34: den russischen Angriff abzuwehren,

00:15:36: wenn wir den Angriff auf uns alle abwehren,

00:15:41: dann retten wir nicht nur die europäische Demokratie,

00:15:43: sondern haben wir auch die Chance, die Zone

00:15:46: von Demokratie und Freiheit und Selbstbestimmung zu erweitern

00:15:50: auf die Ukraine, aber auch auf Russland.

00:15:55: Und ich glaube, nur dann ist ein friedliches Zusammenleben

00:15:57: mit Russland möglich.

00:15:59: Das ist ja das, was wir auch wollen.

00:16:03: Jetzt kennen Sie vielleicht aus Ihrem privaten Leben,

00:16:07: ich kenne das aus meinem Leben solche Situationen,

00:16:11: die sehr unangenehm sind, in die man gerät,

00:16:13: wenn man zum Beispiel in der U-Bahn oder im Bus

00:16:17: oder irgendwo auf der Straße Zeuge wird,

00:16:20: da wird jemand überfallen.

00:16:23: Häufig ist das jemand Schwächeres, der überfallen wird

00:16:25: von jemand Stärkerem.

00:16:27: Und da gibt es einige, die machen dann einfach den Kopf runter

00:16:30: und sagen, ich habe nichts gesehen, ich bin nicht beteiligt,

00:16:32: ich mache nichts, schnell weg.

00:16:35: Und da gibt es viele andere, die hoffen,

00:16:38: ah, hoffentlich gibt es jetzt jemanden,

00:16:40: der seine Angst überwindet.

00:16:42: Hoffentlich gibt es irgendwen, der stark ist.

00:16:45: Hoffentlich gibt es jemanden, der den Angreifer zurückschlägt

00:16:49: und hoffentlich gibt es jemanden, der dafür sorgt,

00:16:50: dass der Angreifer niemanden überfallen kann danach.

00:16:56: Meine Damen und Herren, die Zeitenwende,

00:16:58: die Zeitenwende in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik,

00:17:02: von der so viel gesprochen wird,

00:17:04: die Zeitenwende bedeutet,

00:17:07: dass wir verstehen,

00:17:10: wir müssen diejenigen sein, die unsere Angst überwinden.

00:17:13: Wir müssen diejenigen sein, die stark sind

00:17:15: und dadurch, dass wir unsere Angst überwinden,

00:17:17: vielleicht auch andere zum Mittun anregen,

00:17:19: wir müssen den Angreifer zurückschlagen

00:17:21: und wir müssen sicherstellen,

00:17:23: dass der Angreifer niemanden mehr überfallen kann.

00:17:27: Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

00:17:34: Deutschland und Europa können die Angst überwinden.

00:17:42: Ich bin sicher.

00:17:44: Ich bin auch sicher, Deutschland und Europa können stark sein.

00:17:47: Das ist wichtiger als je zuvor.

00:17:50: Und Deutschland und Europa können den Angreifer zurückschlagen

00:17:53: und Deutschland und Europa können gemeinsam sicherstellen,

00:17:56: dass Putin niemanden mehr überfallen kann.

00:18:01: Ich verstehe jeden, der in Deutschland vor dieser neuen Aufgabe

00:18:04: der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik Deutschlands Respekt hat

00:18:09: oder vielleicht auch ein bisschen kalte Füße bekommt.

00:18:12: Gerade im November, habe ich ja davon gesprochen.

00:18:15: Das ist normal.

00:18:17: Das ist neu für uns.

00:18:18: Das haben wir nie getan.

00:18:19: Wir haben uns darauf verlassen, dass andere das für uns tun.

00:18:23: Jetzt müssen wir es selbst machen.

00:18:27: Ich verrate glaube ich keine Geheimnisse,

00:18:29: wenn ich sage, dass meine ukrainischen Freunde

00:18:31: auch oft kalte Füße haben,

00:18:33: dass sie Angst haben,

00:18:35: dass sie sich immer wieder neu zwingen müssen,

00:18:36: die Angst zu überwinden.

00:18:39: Die leben in einer Lage, in der sie jeden Tag auf Facebook lesen,

00:18:43: dass der ehemalige Lehrer, der ehemalige Krassklassenkamerad,

00:18:47: der Nachbar, verwundet wurde oder gefallen ist.

00:18:52: Die leben in einer Situation,

00:18:53: wo sie ängstlich auf die Mobiltelefone schauen.

00:18:55: Gibt es eine Nachricht?

00:18:56: Gibt es eine WhatsApp-Nachricht von den Verwandten,

00:18:58: von der Tante, von den Großeltern, die in der Ukraine sind?

00:19:01: Da gab es Luftangriffe.

00:19:03: Sind alle in Ordnung?

00:19:04: Ist jemand gestorben?

00:19:05: Ist jemand verwundet?

00:19:08: Das ist der ständige Zustand, in dem alle leben.

00:19:12: Die Ukrainer motivieren sich häufig mit Musik.

00:19:16: Und es gibt ein Lied, das in diesem Krieg sehr populär geworden ist.

00:19:19: Das heißt, Bude Vesna, der Frühling wird kommen.

00:19:27: Und im November, wenn es dunkel ist und kalt und regnerisch,

00:19:34: ist das ein Gedanke, der, wenn es schwer wird,

00:19:39: glaube ich, auch uns hilft,

00:19:42: zu verstehen, dass nach den dunklen und kalten

00:19:43: und regnerischen Tagen des Novembers

00:19:46: man sich sicher sein kann,

00:19:49: dass die hellen und warmen Tage des Frühlings kommen werden.

00:19:57: Und deswegen bin ich auch sicher,

00:20:00: Putin wird den Angriffskrieg gegen die europäische Demokratie verlieren.

00:20:07: Und die europäische Demokratie wird siegen.

00:20:12: Danke fürs Zuhören.

00:20:13: Nur wer die richtigen Fragen stellt,

00:20:19: findet am Ende auch die Antworten,

00:20:21: die zu einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung

00:20:25: Deutschlands beitragen.

00:20:26: Dr. Martin Lang geht diesen Fragen in den RHI-Kontexten auf den Grund.

00:20:31: Schauen Sie rein auf unserer Webseite

00:20:34: unter romanherzoginstitut.de oder auf unserem YouTube-Kanal.

00:20:40: Tina Meier-Schneider trifft alle zwei Wochen die Menschen dahinter

00:20:44: im Podcast des Roman Herzog Instituts.

00:20:47: Zu hören, überall, wo es Podcasts gibt.

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